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Wird ein Gegenstand, z. B. ein Grundstück, verschenkt und reicht der Empfänger den geschenkten Gegenstand unmittelbar an einen Dritten weiter, ist zu prüfen, ob eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt. Dabei ist im Verhältnis zwischen erstem Empfänger und zweitem Empfänger zu prüfen, ob dem ersten Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Ohne Dispositionsbefugnis liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den zweiten Empfänger vor. Werden die beiden Verträge in einer Urkunde zusammengefasst oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen, muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist der Schwiegersohn des Beigeladenen (Schenkers). Mit einem einzigen notariell beurkundeten Vertrag schenkte er ein Grundstück an seine Tochter (Ehefrau des Klägers). Diese schenkte im selben Vertrag den hälftigen Miteigentumsanteil dem Kläger, so dass im Ergebnis der Kläger und seine Ehefrau zu je ein Halb Eigentümer wurden. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem hälftigen Anteil des Klägers um eine unmittelbare Schenkung des Schwiegervaters gehandelt habe. Das Finanzamt berechnete die Steuer hinsichtlich Steuerklasse und Freibetrag nach diesem Verwandtschaftsverhältnis. Im Gegensatz dazu ging das Finanzgericht von einer Kettenschenkung aus, sodass wegen des höheren Freibetrags keine Schenkungsteuer anfiel.

Der BFH hat diese Entscheidung des Finanzgerichts als zutreffend angesehen. Die Frage, wer Zuwendender sein kann, knüpft grundsätzlich an das Zivilrecht an. Das bedeutet aber nicht, dass ausschließlich die Eigentumslage maßgebend ist, wie es z. B. in Fällen der Kettenschenkung der Fall ist. Die Rechtsprechung zur Verpflichtung der Weitergabe knüpft nicht an die Frage an, ob der zuerst Bedachte zwischenzeitlich Eigentümer des geschenkten Gegenstands geworden ist.

Das Finanzgericht hat die Dispositionsbefugnis der Ehefrau des Klägers eindeutig bejaht, weil der Vertragswortlaut diese Auslegung zulasse. Eine inhaltliche Beschränkung der Dispositionsmöglichkeit der Ehefrau sei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Das heißt, dass Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit nicht erkennbar waren, sodass die Befugnisse der Ehefrau zivilrechtlich nicht eingeschränkt wurden.

Hinweis: Bei derartigen Verträgen sollte der Notar angehalten werden, die Formulierung so vorzunehmen, dass der erste Empfänger über die Dispositionsbefugnis des geschenkten Gegenstands verfügt.

Quelle:BFH| Beschluss| II B 37/21| 27-07-2022